MRP-Systeme und -Methoden
Wir beleuchten MRP und MRP 2 und stellen Ihnen unterschiedliche Methoden zur Bedarfsermittlung mittels MRP-System und ERP-Software vor.
Welche Materialien müssen wann bestellt werden, und in welcher Menge? Eine möglichst genaue Antwort auf diese Frage zu finden gehört zu den alltäglichen Aufgaben zahlreicher Unternehmen. Softwarelösungen wie ERP-Systeme helfen Unternehmen dabei, Berechnungen auf Grundlage aktueller Daten durchzuführen und bei der Erstellung von Prognosen auf Erfahrungswerte aus der Vergangenheit und vorangegangenen Prozesse zurückzugreifen. Im Folgenden wollen wir uns daher einmal näher mit der Materialbedarfsplanung (MRP) auseinandersetzen und dabei auf die folgenden Punkte näher eingehen:
Inhaltsverzeichnis
- Für was steht MRP?
- Was macht ein MRP System?
- 4 Methoden der Bedarfsermittlung
- SOLL-/IST-Verfahren
- Brutto-/Netto-Verfahren
- Was ist MRP 1?
- Was ist MRP 2?
- MRP mit dem ERP
Für was steht MRP?
“MRP” ist die Abkürzung für Material Requirements Planning oder Materialbedarfsplanung. Sie ist in der Betriebswirtschaft ein verfahren zur Ermittlung künftiger Materialbedarfe nach Menge und Zeit. Dabei ist zwischen
- Primärbedarf: Bedarf an Erzeugnissen, Ersatzteilen und verkaufsfähigen Baugruppen,
- Sekundärbedarf: Bedarf an Rohstoffen, Einzelteilen und Baugruppen zur Herstellung des Primärbedarfes und
- Tertiärbedarf: Bedarf an Betriebsstoffen, Hilfsstoffen und Verschleißwerkzeigen zum Transport des Sekundärbedarfes, zu unterscheiden.
Geschichte des MRP
Die Erfindung des MRP wird Joseph Orlicky zugesprochen, obgleich er höchstwahrscheinlich nicht der erste war, der den Algorithmus nutzte. Der Terminus ist seit ca. 1960 gebräuchlich. Populär wurde das MRP insbesondere durch Orlickys 1975 veröffentlichtes Buch „Material Requirements Planning—The New Way of Life in Production and Inventory Management” und die „MRP Crusade“ der amerikanischen APICS (The Association for Operations Management) in den frühen 1970er-Jahren.
Was macht ein MRP System?
Ein MRP System unterstützt Unternehmen bei einer ganzheitlichen Materialbedarfsplanung. Diese Systeme dienen der Mengenplanung innerhalb von Produktionsplanungs- und Steuerungssystemen (PPS) für einen mehrstufigen Produktionsprozess (vgl. applus-erp.de, 14.09.2022).
Ziel ist dabei unter anderem auch die Optimierung der Lagerbestände, um einerseits Lagerkosten zu reduzieren und andererseits ausreichend Material für die Produktion und rechtzeitige Lieferung zur Verfügung zu haben. MRP-Systeme können als eingeständige Anwendungen oder als Teil von PPS- bzw. ERP-Systemen eingesetzt werden. Bei der Bestimmung des Materialbedarfes (mit und ohne MRP-System) können unterschiedliche Methoden zum Einsatz kommen, welche im Folgenden einmal beleuchtet werden sollen.
Welche Methoden zur Bedarfsermittlung gibt es?
Im Wesentlichen ist zwischen vier Methoden zur Bedarfsermittlung zu unterscheiden. Es gibt die
- Regelbasierte Bedarfsermittlung,
- heuristische Bedarfsermittlung,
- deterministische Bedarfsermittlung und
- stochastische Bedarfsermittlung.
Die regelbasierte Bedarfsermittlung leitet den Sekundärbedarf mittels WENN-DANN-Beziehungen aus dem Primärbedarf ab. Ein Beispiel hierfür findet sich in der Automobilindustrie. Wenn beispielsweise eine bestimmte Ausstattung gewählt wird, dann werden eben genau jene dafür benötigten Teile aus der Stückliste ausgewählt.
Die heuristische Bedarfsermittlung ist weitaus weniger faktenbasiert, sondern baut stattdessen auf die Erfahrungswerte eines erfahrenen Mitarbeiters. Sie kommt zumeist zum Einsatz, wenn keine ausreichende Datenbasis vorliegt.
Die deterministische Bedarfsermittlung werden über Stücklisten (diskrete Fertigung) oder Rezepturen (Prozessfertigung) Sekundärbedarfe aus dem Primärbedarf abgeleitet. Sie wird häufig bei kundenspezifischen bzw. hochwertigen Produkten angewendet.
In der stochastischen Bedarfsermittlung werden Verbrauchswerte der Vergangenheit statistisch ausgewertet. Daraus werden dann Prognosen für die Zukunft abgeleitet. Die mathematisch-statistischen Verfahren zur Bedarfsermittlung bauen auf der Wahrscheinlichkeitstheorie auf. Diese Bedarfsermittlung findet häufig bei standardisierten bzw. geringwertigen Gütern Anwendung.
Darüber hinaus gibt es noch das Brutto-/Netto Verfahren, sowie das SOLL-/IST Verfahren.
SOLL-/IST-Verfahren zur Bedarfsermittlung
Das SOLL-IST-Verfahren wird zumeist in der kumulativen Bedarfsermittlung genutzt. Hier werden Bedarfsmengen für jeden Zeitabschnitt einer definierten Zeitleiste aufsummiert. Im SOLL-/IST-Verfahren ergibt sich die benötigte Liefer- bzw. Produktionsmenge dann aus der Abweichung zwischen der kumulativen SOLL-Menge und der kumulativen IST-Menge.
Kumulative Bedarfsermittlung von Vorteil für das SCM
Die kumulative Bedarfsermittlung ist aus Perspektive des Supply Chain Managements (SCM) von Vorteil, da sich ein ausgedehnter Materialfluss eines Teils konsistent ermitteln, planen und überwachsen lässt. Sie kann für mehrere aufeinander folgende Zählpunkte bzw. Erfassungspunkte im Materialfluss durchgeführt werden. Mithilfe eines sogenannten Fortschrittzahlendiagramms lässt sie sich dann; beispielsweise im MRP-System; visualisieren (M. Schenk, R. Wojanowski: Fortschrittszahlen, 2006). Mithilfe der Durchlaufzeit wird die Bedarfsmenge dann von einem Erfassungspunkt zum nächsten zeitlich vorgezogen. Da alle Bedarfsmengen in der gesamten Supply Chain (Wertschöpfungskette) miteinander verknüpft sind, wird auch der Peitscheneffekt im Supply Chain Management vermieden.
Brutto-/Netto-Verfahren
Beim Bruttobedarf handelt es sich um den periodenbezogenen Gesamtbedarf, welcher aus Zusatzbedarf, Sekundärbedarf und tertiärbedarf zusammengefasst wird. Ersterer umfasst den Bedarf, der beispielsweise aus üblichem Verschleiß oder Verschnitt resultiert.
Zu ermitteln ist der Zusatzbedarf entweder als feste Menge oder durch einen prozentualen Aufschlag vom Sekundärbedarf. Dies hängt von den jeweiligen Vergangenheitsdaten ab. Zur Errechnung des Nettobedarfs werden dann der Bestellbestand und der Lagerbestand vom Bruttobedarf subtrahiert und anschließend der Sicherheitsbestand und die Reservierungen (aus anderem Bedarf) addiert.
1) Brutto-Sekundär-/Tertiärbedarf
+ Fehlmengenzuschlag/ Zusatzbedarf
= Brutto-Gesamtbedarf
2) Lagerbestand (LB)
− Mindestreserve
− Reservierungen
+ Bestellungen
= verfügbarer Lagerbestand (VLB)
3) Brutto-Gesamtbedarf
− VLB
= Netto-Sekundär-/Tertiärbedarf
Wenn der Netto-Sekundär-/Tertiärbedarf negativ ist, ist ausreichend Material vorhanden. Bei einem positiven Nettobedarf muss zusätzliches Material bestellt bzw. produziert werden. Mithilfe eines MRP-Systems lassen sich diese Kalkulationen auf Grundlage aktueller Taten softwareseitig durchführen.
Was ist MRP 1?
„MRP“, „MRP I“ und „MRP 1“ sind gleichzusetzen. Oft wird der Ausdruck „MRP 1“ auch verwendet, um ein MRP-System zu beschreiben. Das MRP 1 hilft Unternehmen dabei, zu ermitteln, welche Materialien wann in welcher Menge beschafft werden müssen.
MRP 1-Systeme
Dabei greift es unter anderem auf den Produktionsplan, den Materialbestand und die Stücklisten zu. Aus diesem Grund empfiehlt sich der Einsatz einer Softwarelösung für das MRP, die all diese Daten in sich zusammenführt und einen nahtlosen, automatisierten Informationsaustausch ermöglicht. An diese Stelle kann auch ein ganzheitliches ERP-System mit entsprechendem MRP-Modul treten.
Vorteile von MRP 1
Der Einsatz eines MRP 1-Systems geht für Unternehmen mit zahlreichen Vorteilen einher. Beispielsweise lassen sich die Bestandskosten sowie die Wartezeiten bei der Produktion und Belieferung verringern. Die Fertigungs- und Einkaufplanung wird optimiert und das Bestandniveau lässt sich jederzeit kontrollieren.
Was ist MRP 2?
Das MRP 2 oder MRP II ist eine Weiterentwicklung des MRP 1 oder MRP I. MRP II bezeichnet das Manufacturing Resource Planning, welches in den 1980er-Jahren entwickelt wurde. Es soll Unternehmen ein weiter greifendes Planungs- und Kontrollwerkzeug bieten als das MRP I (vgl. manufacturing-software-blog.mrpeasy.com, 14.09.2022).
Ziele des MRP 2
Wie der Begriff bereits vermuten lässt werden hier nicht nur Materialien, sondern auch Ressourcen betrachtet. Ziel ist dabei unter anderem eine Maximierung der Kapazitätsauslastung von Ressourcen, wobei insbesondere Personalressourcen und Maschinen eine wichtige Rolle spielen. Auch sollen Lager- und Liegezeiten möglichst minimiert werden.
MRP und Ressourcenplanung mit dem ERP
Moderne ERP-Systeme können als Erweiterungen von Systeme für das MRP bzw. insbesondere das MRP 2 betrachtet werden (vgl. wirtschaftslexikon24.de, 14.09.2022). Diese Softwarelösungen umfassen neben dem MRP eine ganzheitliche Ressourcenplanung und können zudem die Prozesse aller weiteren Geschäftsbereiche, wie beispielsweise der Buchhaltung und der Logistik, in sich zusammenführen.
Branchenlösungen für MRP und ERP
Insbesondere branchenspezifische ERP-Software für die Produktion umfasst im Standard Funktionen aus dem Bereich der Materialbedarfsplanung. Weiterführende Informationen zu den unterschiedlichen Funktionen verschiedener Branchenlösungen finden Sie in der Branchenübersicht.
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